Zwischennutzungen

   Das vorliegende Issue wurde anhand städtischer Gegebenheiten erarbeitet, es soll jedoch selbstverständlich auch für den ländlichen
   Raum gelten. Im Fokus des Beispiels stehen die Zielgruppen «Jugendliche» und «junge Erwachsene», was aber den Einbezug der
   Zielgruppe «Kinder» keinesfalls ausschliessen soll.


Zwischennutzungen

Der öffentliche Raum ist ein Raum für Begegnungen, Handlungen und Ereignisse, ein Ort des Austauschs und verschiedener Lebensinteressen. Entsprechend vielfältig sind die Aneignungspraxen der Nutzenden. Für Jugendliche und junge Erwachsene hat der öffentliche Raum eine besondere Bedeutung. Dort verbringen sie einen grossen Teil ihrer Freizeit. Der öffentliche Raum bietet eine
Plattform für den Austausch und für Auseinandersetzungen unter Gleichaltrigen, ausserhalb der Kontrolle von Erwachsenen. Das macht ihn für Jugendliche zu einer Art Symbol von Unabhängigkeit und Mobilität. Der öffentliche Raum kann auch als Plattform für Inszenierungen verstanden werden, welche für die Entwicklung der Identität bei Heranwachsenden bedeutend ist (Entwicklungsaufgabe: Identitätsbildung).

Die verdichtete Bauweise und die vermehrte Durchstrukturierung und Verzweckung des öffentlichen Raums führt zu immer weniger freien Flächen (die sich Jugendliche und junge Erwachsene aneignen können) und dazu, dass sich der Stellenwert von Freiräumen vergrössert. Die Folge: Es kommt zu Interessens- und Nutzungskonflikten und der Handlungsdruck auf die Gemeinden steigt; es braucht neue Lösungen.
Mittels Zwischennutzung können temporär wichtige, kostengünstige Freiräume geschaffen und nutzbar gemacht werden. Zwischennutzungen sind befristete, flexible Nutzungen von freistehenden Räumlichkeiten oder brachgefallenen Flächen, die mit geringen Investitionen ermöglicht werden können (Übergangsnutzungen). Die baulichen Anlagen werden häufig nicht rein ökonomisch genutzt, sondern funktionieren nach dem Motto: Günstiger Raum gegen befristete Nutzung. Idealerweise dauert eine klassische Zwischennutzung nicht länger als zwei bis drei Jahre. (Stadt Bern, gefunden am 12.01.2018 unter: www.bern.ch/wirtschaft/immobilien/zwischennutzungsangebote/ueber-zwischennutzung)

Die offene Kinder- und Jugendarbeit kann die Gemeinde bei der Installation von geeigneten Zwischenräumen für Jugendliche und junge Erwachsene unterstützen, indem sie die Bedürfnisse der Jugendlichen erkennt, benennt, ihre Interessen im öffentlichen Raum vertritt und bei allfälligen Konflikten den Dialog zwischen den verschiedenen Akteuren herstellt. Zwischennutzungen aktivie-
ren kreative Ideen, fördern junge und flexible Unternehmen und bieten Platz für kulturelle Angebote. (Quelle: Stadt Bern, ebd.)
Mehr zu den Leistungen der OKJA ist unter Pkt. 4 «Leistungen» zu finden.

Die beschriebenen Merkmale der Stadt Bern weisen darauf hin, dass Zwischennutzungen ideale Bedingungen für die Nutzung durch Jugendliche und junge Erwachsene aufweisen. Sie sind oftmals auf günstige Räume angewiesen und haben sehr kreative und innovative Vorstellungen zur Nutzung der Räume. Zudem sind Projekte mit und von Jugendlichen und jungen Erwachsenen meistens kurz- bis mittelfristig orientiert, was ebenfalls im Sinne von Zwischennutzungen ist. Aktuelle Zwischennutzungen weisen vermehrt einen eher kommerziell ausgerichteten Charakter gewerblicher Start-Ups auf. Sie unterliegen oft ähnlich starken Reglementierungen wie «normale» Mietobjekte. Dies macht eine niederschwellige Nutzung für Jugendliche eher schwierig. Es bestehen viele Nutzungsarten, von sozialer, kultureller oder gewerblicher Motivation bis hin zu günstigem Wohnraum. Zwischen diesen Varianten besteht teilweise ein Spannungsfeld.


 

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Betroffene Politikbereiche

Jugendpolitik

  • Förderung und Erhalt von jugendgerechten Rahmenbedingungen.
  • Zwischennutzung als Möglichkeit, Freiräume für Jugendliche zu schaffen.

Kulturpolitik

  • Zwischennutzungen als Möglichkeit zur Förderung von Jugendkultur.

Gesellschaftspolitik

  • Jugendlichen im Gemeinwesen einen Platz bieten und ihnen die Möglichkeit zur Bewältigung von Entwicklungsaufgaben geben.
  • Zwischennutzungen als Lernfelder auf dem Weg zur Selbständigkeit.

Wirtschaftspolitik

  • Zwischennutzungen als Chance für Start-ups und JungunternehmerInnen.

Raumpolitik

  • Gerechte Verteilung der Ressource Raum auf verschiedene Anpruchsgruppen.
  • Einfluss verschiedener Nutzungsarten auf Quartierentwicklung (Gentrifizierung).

Sicherheitspolitik

  • Ermöglichen von geordneter Nutzung.
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Potential und Herausforderungen

Potential

  • Kurzfristig realisierbare Nutzung von Räumlichkeiten.
  • Durch die temporäre Nutzung sind EigentümerInnen öfters bereit, sich auf eine «versuchsweise» Nutzung einzulassen.
  • Beleben des Quartiers, Förderung von Begegnung und lebendigen Nachbarschaften. (Quelle: Stadt Bern, ebd.)
  • Temporäre Befriedigung und Abfederung lokaler Bedürfnisse (in Kultur, Bildung, Versorgung, Soziokultur, Jugend, Gemeinwesenarbeit etc.). (Quelle: Stadt Bern, ebd.)
  • Weniger Leerstände.
  • Förderung des Interesses von Jugendlichen und jungen Erwachsenen am Gemeinwesen durch Integration ins Gemeinwesen.
  • Aktivierung von Jugendlichen und jungen Erwachsenen zur Auseinandersetzung mit Normen, Strukturen und Werten der Gesellschaft.
  • Förderung der Mitwirkung von Jugendlichen und jungen Erwachsenen, dadurch, dass ihre Anliegen in einem geeigneten Rahmen artikuliert und umsetzt werden können.
  • Mehr Sicherheit durch geordnete Nutzung von Brachland.

Herausforderungen und Probleme

  • Bewilligungspraxis unterliegt Baurechtsordnung. Es existiert im Kanton Bern keine spezifische Bewilligungspraxis für Zwischennutzungen. Dies führt oft zu unnötigen Verzögerungen oder zum Abbruch von Zwischennutzungen durch Einsprachen.
  • Manche EigentümerInnen fürchten sich davor, die Zwischennutzenden später nicht mehr los zu werden. Dem kann frühzeitig mit entsprechenden Verträgen abgeholfen werden.
  • Hohe Schwellen für Jugendliche (Anträge, Reglemente, Kosten).
  • Akzeptanz Anwohnerschaft.

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Werte / Haltungen / Forderungen

  • Jugendliche haben das kreative Potential, um aus brachliegenden Innen- und Aussenräumen sinnvolle Nutzungen zu gestalten. Im Idealfall entsteht daraus ein öffentlichkeitswirksames Projekt (Café, Siebdruckatelier, Sportangebot etc.) für das umliegende Quartier.
  • Jugendliche müssen sich Freiräume aneignen, um ihre Entwicklungsaufgaben bewältigen zu können.
  • Zwischennutzungen stellen ein ideales Instrument dar, um Jugendlichen Räume zugänglich zu machen.
  • Vermittlungsstellen für Zwischennutzungen sollten neutralen Institutionen angesiedelt sein und unabhängig arbeiten können (ohne nur einseitig Interessen zu vertreten von z.B. EigentümerInnen).
  • Regionale Raumbörsen (vgl. Best Practice, Dynamo Zürich), die für Jugendliche und junge Erwachsenen niederschwellig zugänglich sind, vereinfachen die Vermittlung von Räumen erheblich. Die OKJA verfügt über die Kompetenzen solche Raumbörsen zu unterstützen und zu begleiten, um die Bedürfnisse der Jugendlichen zu stärken.
  • Die OKJA kann und soll als Vermittlerin zwischen den Jugendlichen, den EigentümerInnen, Anwohnenden und den Behörden auftreten.

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Relevanz gem. Ziele FKJV* (ehem. ASIV)

Durch die Möglichkeit zur Zwischennutzung wird:

Die Integration der Jugendlichen und jungen Erwachsenen in das Gemeinwesen gefördert, da sie ihre Ideen und Ziele realisieren können und somit zum Erscheinungsbild einer Gemeinde beitragen.

Die Sozialisation der Jugendlichen und jungen Erwachsenen gefördert, da sie sich im Rahmen der Zwischennutzung mit den Normen, Strukturen und Werten der Gesellschaft auseinandersetzen.

Die Mitwirkung von Jugendlichen und jungen Erwachsenen unterstützt, da sie partizipativ und zielgerichtet ihre Anliegen in einem geeigneten Rahmen artikulieren und umsetzen können.

Die Jugendkultur gestärkt, da Zwischennutzungen oftmals ideale Voraussetzungen für kulturelle Nutzungen bieten.



* Verordnung über die Angebote zur sozialen Integration (ASIV)


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Leistungen OKJA

  • Vermittlung von Räumen zur Zwischennutzung an Jugendliche und junge Erwachsen > Raumbörse:
    • Auf verschiedenen Ebenen in der Gemeinde die Wichtigkeit von zwischennutzbaren Räumen für Jugendliche betonen.
    • Räume suchen / finden und für Jugendliche zugänglich machen.
    • Bei Zwischennutzungen Räume mieten und an Jugendliche und junge Erwachsene untervermieten> (finanzielle) Sicherheit für die EigentümerInnen.
  • Soziokulturelle Begleitung von Jugendlichen und jungen Erwachsenen bei Zwischennutzungen.
  • Unterstützung von jugendlichen Zwischennutzenden bei der Realisierung ihrer Projekte.
  • Vermittlung zwischen EigentümerInnen und jugendlichen ZwischennutzerInnen.
  • Vermittlung zwischen Jugendlichen, Behörden und Anwohnenden.

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Konkreter Nutzen

für Kinder / Jugendliche

  • Möglichkeit zur Realisierung von eigenen Projektideen Experimentierfeld für die Übernahme von Verantwortung bei der Miete von Räumlichkeiten.
  • Das für Jugendlichen knappe Gut «Raum» wird durch Zwischennutzungen um wertvolle Innenund Aussenräume ergänzt.
  • Die Jugendlichen verfügen über mehr Freiräume zur Bewältigung verschiedener Entwicklungsaufgaben.

für Gemeinden / die Gesellschaft

  • Aufwertung von brachliegenden Arealen.
  • Eine engagierte Jugend fördert das Image der Gemeinde im Standortwettbewerb.
  • Die Präsenz von Jugendlichen und jungen Erwachsenen konzentriert sich auf den Ort der Zwischennutzung, wo es für die Gemeinde Ansprechpersonen gibt > weniger Nutzungskonflikte im restlichen Gebiet der Gemeinde.
  • Durch die Inklusion und die Akzeptanz der Jugend in relevante Bereiche einer Gemeinde/Gesellschaft (der Jugend Raum geben) wird die Identifikation mit dieser gefördert > weniger Abwanderung, weniger Vandalismus.
  • Eine lebendige und vielfältige Stadt- und Quartierkultur wird gefördert.

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Good Practice

Alte Feuerwehr Viktoria, Bern (Löscher)

Zwischennutzung der ehemaligen Feuerwehrkaserne am Viktoriaplatz in Bern. Die Zwischennutzenden bilden einen vielfältigen Mix aus Gastronomie, Kultur, Sport u.v.m. Die Jugendarbeit (TOJ) hat mehrere Räume gemietet, welche sie an Gruppen junger Erwachsener untervermietet.

Verein Alte Feuerwehr Viktoria Löscher
Gotthelfstrasse 29 I 3013 Bern
info@altefeuerwehrviktoria.ch
www.altefeuerwehrviktoria.ch


Calvinhaus, Bern

Das Jugendamt der Stadt Bern mietet die kirchlichen Räum lichkeiten des Calvinhauses, um diese an Jugendliche und junge Erwachsenen zur Zwischennutzung weiterzuvermieten.

Stadt Bern
Bereich Kinder-, Jugendförderung und Gemeinwesenarbeit Berner GenerationenHaus
Bahnhofplatz 2 I 3011 Bern
checkpoint@bern.ch
www.calvinhaus.ch


Hotel Touriste, Interlaken

Aktuell coacht ein Mitarbeiter der Jugendarbeit den jungen Verein «Zwischennutzung Hotel Touriste» beim Betrieb des Kulturzentrums Blago Bung im ehemaligen Hotel Touriste in der Rugenparkstr. 8 in Interlaken und vermittelt zwischen Behörden und Verein.

Mehr Informationen: www.jabinfo.ch/projekte

Jugendarbeit Bödeli
Bahnhofstrasse 5b
3800 Unterseen
Tel. +41 (0)33 823 10 69
team@jabinfo.ch
www.jabinfo.ch


Zwischennutzung Fussballstadion Gurzelen

Zwischennutzung des ehem. Fussballstadions. Zahlreiche Soziokulturelle Initiativen und Projekte wie Kinderbaustelle, Rasentennisplatz, Gemeindschaftsgarten, Jugendradio, u.v.m. Die Kinder- und Jugendförderung der Stadt Biel unterstützt und vermittelt zwischen Verein, Nachbarschaft und Behörden.

Verein Terrain Gurzelen
Champagneallee 2
2502 Biel
news@terrain-gurzelen.org
www.terrain-gurzelen.org


Raumbörse Zürich

www.raumboerse-zh.ch

Stadt Zürich
Jugendkulturhaus Dynamo Raumbörse
+41 (0)44 415 76 67


Weitere Beispiele und Informationen zum Thema:

Leitfaden Zwischennutzung: www.zwischennutzung.ch


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